From: Armin Walter <armin.walter@chello.at>
Date: Mon, 18 Jul 2005 17:52:18 +0200
Newsgroup: de.rec.tiere.katzen
Message-ID: <b6118$42dbcfe7$506d68a3$15034@news.chello.at>
Subject: A Cat called Freddy Krüger
Der Tag des jüngsten Gerichts brach, in meiner Funktion als Katzenhalter, über mich herein: Armageddon! Apocalypse Now! Die Offenbarung des Johannes
begann sich zu erfüllen!
Was war dramatisches geschehen? War es Sonntag und hatte ich
leichtsinnigerweise vergessen, den Gourmetvorrat aufzufüllen? Njet!
Hatte sich Rottweilerbesuch angekündigt? Nope!
Sind meinem Kater Hoden nachgewachsen? Never!
Schlimmer, viel schlimmer!
Es war eine Stunde vor dem Tierarzttermin! Das bedeutete nun ca. zweieinhalb
Stunden Dauerstress für uns drei mit der Option, dass diese Aufregung für
einen von uns zuviel sein könnte.
Ich habe keine Ahnung, wie es bei anderen Katzenhaltern aussieht.
Ob der Katzenkorb geöffnet wird und Felidaeform es betritt in dem Wissen, ja
nur einen notwendigen ärztlichen Kontrollbesuch absolvieren zu müssen,
erhobenen Hauptes den Transportcontainer. Ich höre schon die Kommentare:"Wie wär's mal mit Erfahrungsaustausch?". Ich darf aber entgegnen, dass es auch Überlebenden eines Flugzeugunglücks schwer fällt, über das Erlebte zu
sprechen. Man ist eben traumatisiert und verdrängt lieber. Ich sicher!
Dabei hatte alles so harmlos begonnen. "Sie" musste sich wohl wieder einmal überfressen haben, was daran erkennbar war, dass ich von Zeit zu Zeit auf
den Fußsohlen ein nasswarmes Gefühl verspürte. Und zwar immer dann,wenn ich
in ihrem Mageninhalt stand. Was ja, wenn es hin und wieder passiert, nichts
Ungewöhnliches bei Katzen ist. Aber da ich ungefähr siebenmal am Tag meine
Socken wechseln musste, kletterte mein Aktivitätsbarometer vom
wohltemperierten "ereignislos" in den roten Bereich "Handlungsbedarf".
Also Anruf beim Tierarzt meines Vertrauens.
Es ist mir nicht bekannt, wie andere Menschen das Thema "Telefonnummer"
handhaben. Es gibt für Menschen, deren Ordnungssinn einigermaßen ausgeprägt
ist, diese handlichen Telefonregister, in die die wichtigen Telefonnummern
eingetragen werden. Bei der genetischen Vergabe des Ordnungssinns haben
meine Eltern geschlampt. Ich habe von meiner lieben Frau im Laufe unseres
Zusammenlebens jedes erdenkliche Format von Telefonregistern geschenkt
bekommen, in Form eines kleinen Büchleins, in Form eines Terminplaners,
sogar in Form eines Palmtop, aber aus einem mir gänzlich unbekannten Grund
blieben diese ungenützt. Bekomme ich eine mir wichtig erscheinende
Telefonnummer zu hören, schnappe ich mir den nächstbesten Zettel (Serviette,
Einkaufsbon, Post it, Medikamentenrezept, Bankbeleg etc.), verwende diesen
widmungswidrig und versenke ihn in meiner Brieftasche. Was zur Folge hat,
dass ihr Umfang nach kurzer Zeit einen Anschein finanzieller Potenz
vermittelt, dem mein tatsächliches Einkommen in keiner Weise gerecht wird.
Den damit einhergehenden schnellen physischen Verfall der Börse begegne ich
sehr pragmatisch einfach mit dem Kauf einer Neuen. Es werden dabei die
Zettel nach dem Kriterium "Nummer noch bekannt oder nicht mehr" reduziert
und das Spiel beginnt von neuem.
Auf einem dieser Zettel stand glücklicherweise Tierarzt.
Ich wählte also diese Telefonnummer und das Gespräch stellte sich in etwa so
dar:
"Ordination Dr. Karol"
"Grüß Gott Herr Doktor, ich habe da ein Problem mit meiner Katze. Sie
erbricht sich schon seit drei Tagen"
Nach Abklärung der möglichen Faktoren durch den Tierarzt kamen die
entscheidenden Sätze.
"Es wird wohl am besten sein, wenn sie mal in meiner Praxis vorbeikommen.
Ich möchte mir Ihre Katze ansehen. Waren sie schon mal bei mir?"
"Äh, ja, natürlich, vor ungefähr...acht Jahren glaube ich."
"Sie haben in der Zwischenzeit einen Kollegen konsultiert?"
"Wozu? Es war nicht notwendig."
"Keine Kontrolluntersuchungen?" Ein unangenehmer Unterton begleitete seine
Frage.
"Nein" antwortete ich wahrheitsgemäß. Was konnte ich dafür, dass meine Katzen
nach der Kastration gesund blieben?
"Kommen sie am Montag, 13 Uhr, und bringen sie den Kater vorsichtshalber
auch mit!"
Ich stand nun am Montag, 12 Uhr, vor einem Katzenkorb, der vor acht Jahren
gerade Platz für zwei Kätzchen bot, deren Gewicht ein
was-weiß-ich-wieviel-tel des derzeitigen Kampfgewichtes meines Katers
betrug. Ich wusste, es würden Probleme auf mich zukommen, wenn ich meine
Katzen erst einmal gefunden haben würde. Die waren nämlich verschwunden.
Spurlos!
Zwei Tiere, denen man als Beweggründe Ihres Handelns bisher höchstens
Triebbefriedigung unterstellen konnte, reagieren instinktiv auf einen
plötzlich anwesenden Katzenkorb, indem sie ihren Tricoder öffnen und sich
von Scotty wieder zurück auf die Enterprise beamen ließen. O.K., ich sagte
zwar immer, dass Katzen irgendwie etwas Außerirdisches an sich hatten, aber
das war doch nur so daher gesagt! Wo waren die verdammten Viecher?!
Um 12:30 hatte ich Sie gefunden. Ich leuchtete mit einer Taschenlampe in
eine Öffnung, zwischen Bibliothek und Wand, die Zugang zu einem kleinen
Hohlraum unter der Bibliothek bot, durch die ein Katzenembryo durchaus hätte
schlüpfen können. Da waren sie! Katzen, die von Rechts wegen eine
Katzenklappe in der Größe eines Scheunentores benötigten, konnten
anscheinend Ihre Gliedmaßen abtrennen, ihren Schädel Spalten und Ihren
Corpus filetieren, und das alles nach erfolgten Transfer in ein
Geheimversteck wieder zusammensetzen. Faszinierend!
Nachdem das Finden eine halbe Stunde in Anspruch nahm, konnte ich meine
beiden Lieblinge innerhalb einer Minute mit einem subtilen Trick aus ihrem
Versteck locken. Ich holte mir einen Hammer und donnerte damit gegen die
Außenwand des Hohlraumes.
Voilá! Zwei Fellblitze zischten aus der Öffnung und standen wieder im
Wohnzimmer.
Nun aber taktisch vorgegangen! Wie beiläufig nahm ich den Katzenkorb und
stellte ihn in den Vorraum, nicht ohne vorher alle möglichen Schlupflöcher
mit Büchern oder Bratpfannen unzugänglich gemacht zu haben. Ich schnappte
mir zuerst "Sie", da ich mir von ihr weniger Gegenwehr erwartete und
schloss
die Türe zwischen Vorraum und Wohnzimmer, damit "das Tier" nicht als Zeuge
eines etwaigen Handgemenges noch unruhiger werden sollte.
Der Katzenkorb hatte die Form eines in seiner Horizontalachse durchtrennten
Eies, mit einer Rundöffnung von ungefähr 20 Zentimeter Durchmesser. Zum
Schließen dieser Öffnung gab es wiederum ein Kreisrundes Gitter, das aber
nicht mit einem Scharnier mit dem Korb verbunden war, sondern das man
einfach nur mit Schnüren festbinden musste.
Wie ich richtig vermutet hatte, war das Thema "Katze in den Korb" rasch
besprochen. Sie ließ sich mit wenig Gegenwehr durch die Öffnung schieben
und
ich befestigte die Gitterabdeckung mit den Schnüren. Dafür, dass das alles
sehr schnell gegangen war, fiel mir ein Phänomen auf, das man vielleicht am
Besten als "Kampfhaaren" bezeichnen könnte. Sie verlor in der Zeit, in der
ich sie in den Korb steckte, überdurchschnittlich viele Haare. Nein, sie
verlor sie nicht, sie stieß sie ab. Absichtlich! Das konnte mich jetzt aber
auch nicht mehr aufhalten!
Ermutigt durch die geringe Gegenwehr von "Ihr", ließ ich die Wohnzimmertüre
langsam aufgleiten und blickte "dem Tier" in die Augen. Sein seitlicher
Gang
sollte wohl Kampfbereitschaft signalisieren. Da ich mir diese
körpersprachliche Ausdrucksweise im jahrelangen Umgang mit meinen Katzen
aber auch angeeignet hatte, umkreisten wir uns mit angelegten Ohren, ohne
uns aus den Augen zu lassen. Ich beendete dieses Ritual mit einem Sprung
und
packte ihn bei der Nackenfalte. Da auch der Kater des Kampfhaarens mächtig
war, gingen mir die dem Haarbüschel zugehörigen acht Kilo Katzenfleisch
wieder abhanden. Zum äußeren Erscheinungsbild des Katers war jetzt noch ein
ansehnlicher Katzenbuckel dazugekommen. Damit konnte ich nicht mehr
konkurrieren. Optisch war er mir jetzt einen Schritt voraus. Aber mein
Katzen-in-den-Korb-steck-Programm hatte den Sicherheitszeitraum, wo ein
Reset und neuerliches Hochfahren noch möglich war, schon weit überschritten.
Daraus resultierte ein neuerlicher Satz auf ihn. Als "das Tier" seinen tief
fliegenden Quartiergeber auf sich zukommen sah, drehte er sich blitzschnell
auf den Rücken und zeigte mir, was ich ganz bestimmt nicht sehen wollte.
Aus
seinen samtweichen Pfoten wuchsen Krallen, die einem Freddy Krüger zur Ehre
gereicht hätten. Noch in der Luft versuchte ich eine Richtungsänderung, die
mir auch bedingt gelang. Seine Prankenhiebe gingen ins Leere.
Glaubte ich! Neben Freddy am Boden aufschlagend realisierte ich einen
langsam sickernden Blutstrom an meinem Unterarm. Er hatte nur so schnell
zugeschlagen, dass ich es nicht sah und nicht spürte.
Nachdem ich meinen Arm notdürftig mit Küchenrolle verbunden hatte, war ich
bereit, zu Plan B überzugehen, als mir schmerzlich bewusst wurde, dass es
keinen Plan B gab.
Aber es gab Arbeitshandschuhe!
Er hatte keine Chance mehr. Weder Krallen noch Zähne drangen durch das 2
Millimeter dicke Leder und als ich die Gitterabdeckung öffnete...sprang
zuerst einmal "Sie" wieder aus dem Korb heraus. Die Türe zum Wohnzimmer war
aber geschlossen und somit konnte ich mich ohne größere Hektik "dem Tier"
widmen, den ich noch immer am Boden fixiert hatte. Ich hob ihn wieder an
der
Nackenfalte an und unterstützte mit der anderen Hand an seinem Hinterteil,
da ihn sonst sein eigenes Gewicht wohl bei lebendigem Leib abgehäutet
hätte.
In dieser Position wollte ich ihn in den Korb schieben.
Da ich aber seine Vorderpfoten nicht fixiert hatte, spreizten sich diese
gegen den Eingang, was aber meiner Aufmerksamkeit entging. Und mit diesem
Moment begann eine interessante Metamorphose von Kater zu Bowlingkugel.
Während ich den Hinterteil relativ widerstandsfrei nach vorne bewegte, war
der vordere Teil Freddys aus eigenem Willen am Korb fixiert. Als ich
bemerkte, dass vorne eigentlich nichts weiterging, hatte ich einen
Kugelkater von gut 30 Zentimeter Durchmesser in der Hand. Hätte man mich in
so eine Position geschoben, wäre ich mit einer Querschnittlähmung noch gut
bedient gewesen. Also den Druck entlastet und den Kater wieder in seine
vorgeschriebene Form entlassen, die Beine vorne gehalten (was Freddy
animierte, intensiv an alle möglichen Stellen im Handschuh zu beißen, in
der
Hoffnung, wenigstens eine empfindliche Stelle in dieser Zauberhand zu
finden) ab in den Korb und zu die Türe.
Was ich jetzt sah war irgendwie ernüchternd. "Das Tier" füllte praktisch
den
ganzen Korb aus. Wie sollte ich da noch seine Schwester hineinkomprimieren?
Ich fixierte die Gittertüre nur an einem Punkt am Katzenkorb und drehte ihn
mit der Öffnung zur Wand, damit "das Tier" nicht hinauskam, ich aber seine
Schwester dann leichter hineinbekam. So funktionierte es auch! In Ermangelung einer signifikanten Fluchtmöglichkeit ergab "Sie" sich ihrem
Schicksal. Beide waren im Katzenkorb und die Türe verschlossen. Ich sah
durch die Öffnung zwei zitternde Katzen die in die Form eines halbierten
Eies gepresst wurden.
Egal! Es waren nur fünf Minuten mit dem Auto bis zum Tierarzt und ich würde
trotzdem zu spät kommen. Mein Mitleid wurde von der Zeitnot unterdrückt.
Über die kurze Fahrt zum Veterinär gibt es wenig zu berichten, außer dass
ich die Seitenfenster schließen musste, weil die Beiden in ein Geschrei
einstimmten, als wäre vor ihrem dritten Auge als Ziel unserer Fahrt die
Tierkörperverwertung zu sehen gewesen.
Mit leichter Verspätung und einem Korb voll Katze hetzte ich ins
Wartezimmer
der Ordination. Da ich hinter der Türe zum Ordinationszimmer Stimmen hörte,
aus denen ich schloss, dass eine Behandlung im Gange war, setzte ich mich
auf einen freien Sessel, stellte den Korb auf meinen Schoß und begann
beruhigend auf meine Katzen einzureden. Mit mir waren noch zwei
Katzenmenschen und ein Hundemensch im Warteraum, wobei mein Blick auf den
Transportbehältnissen der Katzenmenschen haften blieb.
Da war es wieder, dieses schon vergessen geglaubte Gefühl.
Kennen Sie es auch?
Als ich vor rund zweihundert Jahren in einem viel zu kleinen Anzug, mit
einer viel zu unmodernen Krawatte, in viel zu abgetragenen Schuhen und von
meiner Mutter aufoktroyierten viel zu kurzen Haaren meinen ersten Schulball
besuchte, war da zum ersten Mal dieses Gefühl der gesellschaftlichen
Unzulänglichkeit. Ich gehörte in diesem Outfit einfach nicht dazu.
Mit diesem Katzenkorb gehörte ich auch nicht dazu.
Die beiden Katzenmenschen hatten für ihre Lieblinge ein tragbares
Hotelzimmer von einem halben Quadratmeter Grundfläche (für jeweils eine
Katze!), der Boden und die Seitenwände bis halber Höhe mit Plüsch veredelt.
Die Katzen lagen völlig entspannt in diesem.diesem..keine Ahnung, wie man
diesen puren Luxus bezeichnen soll. Katzenkorb war es jedenfalls keiner und
Käfig sicher auch keiner, da man mit Käfig etwas assoziiert, aus dem man
gerne wieder raus möchte. Hätten meine Katzen so etwas besessen, hätten sie
dieses Marriott für Katzen nur noch zum Fressen und der anschließenden
Nachbearbeitung verlassen. So aber saßen sie in einem viel zu engen Korb,
zitterten und eine (oder auch beide) pinkelte mir gerade auf meinen
Oberschenkel. Recht geschah mir!
Der Aufruf meines Namens beendete unseren Status als gesellschaftliche
Randgruppe, der irgendwie geholfen werden müsste.
Die Behandlung beim Tierarzt verlief ereignislos. Da er meine Warnung mit
einem Lächeln und den Hinweis auf seine Professionalität in den Wind
schlug,
sickerte nach kurzer Zeit aus fünf länglichen Wunden ein dünner Blutstrom.
Nachdem er seine Wunde mit etwas, das einer Küchenrolle nicht unähnlich
war,
versorgt hatte und beide Katzen mit vereinten Kräften wieder eingefangen
und
sie unter Zuhilfenahme zweier Handschuhe (meines Erachtens viel zu dünnes
Material) untersucht waren, gingen wir mit einem Medikament und 52 Euro
weniger wieder nach Hause. Auf den Umfang meiner Brieftasche wirkte sich
dieser Aderlass kaum aus.
"Sie" ist dank des Medikaments längst wieder gesundet, "das Tier" ächtete
mich wochenlang und ich bin seit zwei Jahren glücklicher Besitzer eines Riesentransportkäfigs um 150 Euro geworden, der alle Stücke spielt. Sollte
ich aber mit meinen Katzen wieder einmal den Tierarzt konsultieren, werde
ich mir ein neues Auto kaufen müssen. In meines passt der Käfig nicht
hinein.
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