From: spam-or-nospam@gmx.de (Manfred Russ)
Newsgroups: de.alt.talk.unmut
Date: Wed, 9 Mar 2005 20:27:09 +0100
Message-ID: <MPG.1c991af7cf6122c98a6dd@ID-30918.user.uni-berlin.de>

Subject: Schneeterror

Als Ausweis staatsbürgerlicher Tüchtigkeit gelten immer noch die deutschen Primärtugenden. Insbesondere und gerade im Lande der Kehrwoche.
Das ist nicht weiters wild; einmal sind die Vorteile bekannt ("ein jeder kehre vor seiner Thür"), zum anderen bietet sich eine nette Gelegenheit, unter vorgeblicher Beschäftigung mit Nachbarn und Bekannten zu quatschen. Trottwa fegen, Hecken schneiden, Flieder stutzen geht irgendwie nebenher.

Nur im Winter mutieren manche Personen zu Bestien. Mit jesuitischen Eifer springen sie jeder zweiten Schneeflocke hinterher, um ihr, mit der Schaufel in der Hand, Saures zu geben. Der Gehweg wird abschließend noch stiefelsdick eingesalzen und die Garagenauffahrt gefönt.

Gut, letzteres nicht unbedingt, aber es ist nicht mehr weit bis dahin. Wenn es denn so gemächlich vorsichhinschneit, wie in den letzten Wochen üblich, ist es durchaus vonnöten, zwei, drei mal am Tag zu schippen, das seh ich auch ein. Allerdings gibt es Leute, die springen demonstrativ tatendurstig auf die Straße und vollführen mit ihrer Schaufel[1] einen dermaßen Heidenlärm, sobald auch nur 1,5 weitere cm Schnee gefallen sind. Du brauchst gar nicht zu denken, erst dann tätig zu werden, wenn's rational betrachtet nötig wäre - die Bürgerspflicht gebietet tätig zuwerden, wenn eine Schneeauflage meßbarer Dicke vorhanden ist, auch wenn als zur Bestimmung dieser Dicke Angström die geeigntete Maßeinheit wäre.
Wenn du dich dem Wahnsinn verweigerst, hast du verloren und giltst fürderhin als faule Sau. Ein schönes Ritual für Liebhaber einfacher Wahrheiten.

Das eben angeführte gilt für das Wochenende, verschärft Sonntags. Wenig hasse ich so sehr, wie das offenbar abgesprochene Staffelschippen: einer fängt an, und kurz bevor sein Teil erledigt ist, kommt der nächste und macht praktisch nahtlos weiter mit diesem impertinenten Gescharre und Gekratze. Sonntag morgens um sieben. Denn die Geräuschentwicklung verhält sich umgekehrt proportional zur Dicke der Schneeauflage.

Nun war aber am letzten Wochenende das erste Formel-I-Rennen. Liveübertragung von 4.00 Uhr bis 5.30 Uhr. Nach der Übertragung ein prüfender Blick aus dem Fenster - es hat geschneit!

Selten hab ich mit solcher Ausdauer und Wonne Schnee geräumt, bis auch wirklich alles tipptopp war.

[1] Oder noch schlimmer: diese von heimwerkerlicher Sufferänität zeugenden Sperrholzbretter mit drangenageltem Stiel

Manfred